Riede – Gundel und Ulrich Schmidt haben auf ihrem Hof ein Stück heile Welt bewahrt. In Riede bei Bremen bauen sie seit 25 Jahren Obst und Gemüse an – so wie es sich romantische Großstädter vorstellen: Mit ganz viel Handarbeit und Pferden vor dem Pflug.
«Für uns zählt Klasse statt Masse», sagt Gundel Schmidt. Auf Wochenmärkten in Bremen verkaufen sie ihre Öko-Ware. «Angefangen haben wir mit einem ganz kleinen Stand.» Die Nachfrage stieg über die Jahre, die Anbauflächen wurden größer, der Zukauf beim Bio-Großhandel kam dazu, Mitarbeiter wurden eingestellt.
Möglich macht den Erfolg der andauernde Bio-Boom: Innerhalb von zehn Jahren hat sich in Deutschland der Umsatz mit Naturkost auf 8,6 Milliarden Euro verdoppelt. «Die Zeichen stehen weiter auf Wachstum», betont Peter Röhrig vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Einen großen Anteil am Erfolg hätten die Discounter, die mittlerweile alle ihre Bio-Eigenmarke vertreiben. Sie böten vielen Verbrauchern überhaupt erst die Gelegenheit zum Bio-Kauf. Der Handel profitiere auch von Trends wie veganen Produkten. Zudem habe sich das Öko-Sortiment vergrößert.
«Bio wurde zwischendurch immer wieder tot gesagt», sagt Achim Spiller, Leiter des Lehrstuhls Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte an der Universität Göttingen. «Es hieß: Regional ist das neue Bio.» Doch zulasten von Bio-Produkten sei dieser Trend nicht gegangen, im Gegenteil: In nur wenigen Warengruppen werde ein so kontinuierliches Wachstum verzeichnet wie im Bio-Bereich – auch wenn sich der Anteil von Öko-Produkten am gesamten Lebensmittelmarkt auf nur 4,4 Prozent beläuft.
Der Erfolg liege auch an den hohen Erwartungen der Kunden. Spiller nennt das den «Heiligenschein-Effekt». «Die Verbraucher glauben an Eigenschaften der Lebensmittel, die durch die Bio-Verordnung gar nicht vorgeschrieben sind.» Das sei gut für die Händler, die sich mit dem Verkauf der Bio-Produkte ein positives Image verschafften.
Es berge aber auch Potenzial für Enttäuschungen bei den Kunden. Bei Demeter, Bioland und Naturland-Produkten gelten zum Beispiel strengere Richtlinien als bei denen mit EU-Biosiegel. Wer erwarte, dass die Ware klimafreundlich sei, könne ebenfalls enttäuscht werden: Die große Nachfrage nach Bio in Deutschland kann inzwischen nur noch über Importe befriedigt werden.
Ausschlaggebend für den Kauf von Öko-Produkten seien zwei Motive, so Spiller: Zum einen wollen die Verbraucher einen Beitrag für den Tier- und Umweltschutz leisten. Zum anderen möchten sie etwas für ihre Gesundheit tun – und dabei auch ein intensiveres Geschmackserlebnis haben. Und: «Der Kauf trägt zum guten Gewissen bei», betont Spiller.
Doch sind Bio-Produkte wirklich besser als konventionelle? «Jein», mein Maria-Elisabeth Herrmann, Ernährungswissenschaftlerin an der Hochschule Osnabrück. In ökologischem Obst und Gemüse seien weniger Rückstände von Pflanzenschutzmitteln. «Das ist das, was anders ist.» Mehr Vitamine seien nicht enthalten, und der Geschmack sei nicht grundsätzlich besser. Ihr Fazit: «Für meine Gesundheit ist es egal, woher das Obst und Gemüse kommt.»
Demeter-Bäuerin Gundel Schmidt geht es auch nicht nur um die Gesundheit, sondern um das große Ganze. Ihr ist es genauso wichtig, dass bei der Produktion keine Menschen ausgebeutet werden. Und der Erhalt alter, regionaler Sorten liegt ihr am Herzen. Dass ihre Äpfel und Möhren nicht so aussehen wie die im Supermarkt, ist für sie selbstverständlich – für ihre Kunden nicht. «Viele wollen inzwischen, dass die Ware perfekt aussieht», sagt die 69-Jährige.
Gundel Schmidt ist etwas anderes wichtiger: «Ich will Tomaten verkaufen, die schmecken.» Sie werden in ihrem Betrieb deshalb nur reif geerntet. Ist die Saison vorbei, würde Gundel Schmidt am liebsten keine anbieten. Doch das geht nicht, inzwischen verlangen die Kunden das ganze Jahr über Tomaten, Paprika und Gurken. Nicht allen Wünschen kommt sie nach. «Orangen schmecken erst ab Mitte November. Wenn ich das den Kunden erkläre, verstehen die das auch.»
Fotocredits: Carmen Jaspersen
(dpa)